“Der Chinesische Traum: Nachahmung oder grundlegende Alternative?” The Huffington Post DE

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“Der Chinesische Traum: Nachahmung oder grundlegende Alternative?”

01/02/2017

Emanuel Pastreich

Als ich kürzlich in Nanjing eintraf um an einer Konferenz teilzunehmen, fragte ich den Studenten, der mir als Wegführer zugewiesen war, ob er mich zu dem berühmten konfuzianischen Tempel Fuzimiao in der Altstadt bringen könnte. Es war mein erster Besuch in der Stadt Nanjing, und ich wollte deren Seitengassen erkunden und vielleicht in einem traditionellen Teehaus halt machen.

Als ich kürzlich in Nanjing eintraf um an einer Konferenz teilzunehmen, fragte ich den Studenten, der mir als Wegführer zugewiesen war, ob er mich zu dem berühmten konfuzianischen Tempel Fuzimiao in der Altstadt bringen könnte. Es war mein erster Besuch in der Stadt Nanjing, und ich wollte deren Seitengassen erkunden und vielleicht in einem traditionellen Teehaus halt machen.

Ich kannte Nanjing – oder ‘Jinling’, als das es in der Zeit vor der Ming-Dynastie bekannt war – obwohl ich es zuvor nie besucht hatte. Ich hatte viele Gedichte gelesen, die in Bezug zu Nanjing stehen, als ich an den Universitäten von Tokio und Harvard chinesische Literatur studiert hatte. Die Landschaft des Qinghuai Flusses war mir aus Sammelbänden des 17. Jahrhunderts vertraut, und ich hatte mir die ausladenden Herrenhäuser Nanjings im 18. Jahrhundert vorgestellt, als ich im College den Roman “Der Traum der Roten Kammer” gelesen hatte.

Aber meine Suche nach Spuren des alten ‘Jingling’ in den ungebändigten Straßen des zeitgenössischen Nanjing war erfolglos. Alle traditionellen Gebäude um den Fuzimiao-Tempel waren abgerissen worden und ersetzt durch fade Betonbauten, in denen Schnellrestaurants und T-Shirt-Läden untergebracht waren. Obwohl einige Geschäfte ausgezeichnete Tees anboten, unterschieden sich die Speisen und die angebotene Kleidung kaum von dem, was man in Bangkok oder dementsprechend auch in Los Angeles finden kann. Nichts war in Nanjing hergestellt worden. Die Stadt hatte ihre Gemeinschaft an Kunstgewerblern und Handwerkern verloren, ganz zu schweigen von ihren Dichtern und Schriftstellern.

Das Innere des Fuzimiao Tempels fühlte sich nicht authentisch an. Die Wände waren aus purem Beton geformt, nicht aus Stein oder Mauerputz. Das Gebälk war von rauen Händen geschnitzt worden, und die Ecken, in denen der Fußboden auf die Wände trifft, waren nur unpfleglich fertiggestellt worden. Das Mobiliar war dürftig gefertigt worden und die an den Wänden aufgehängte Kalligrafie war mittelmäßig.

Ich stieß an diesem Nachmittag in Nanjing nicht auf große Historie, nichts wie die Relikte einer inspirierenden Vergangenheit wie man sie im Notre Dame in Paris oder um den Tdaiji -Tempel in Nara herum finden kann. Ich hatte aus einigen Darlegungen, die ich gelesen hatte, den Eindruck gewonnen, dass Nanjings Vergangenheit etwas sei, mit dem sich Chinesen obligatorisch beschäftigen müssten. Aber wenig von dieser alten Zivilisation hat in der Gegenwart Relevanz.

Mein studentischer Wegführer war bei der Suche nach einem traditionellen Teehaus sehr behilflich, doch ich ging fort mit einem tiefen Gefühl der Traurigkeit, da so viel des traditionellen Chinas verloren gegangen war – nicht so sehr wegen Mao Zedongs Kulturrevolution, sondern durch das Entstehen einer rücksichtslosen Konsumkultur. Diese Traurigkeit war nach ihrem Wesen ganz sicher nicht sentimental.

Die wahre Tragödie besteht darin, dass China einst der Welt das am weitesten entwickelte System zur Unterstützung einer komplexen Bürokratie und einer großen Bevölkerung bot – und dies vollständig auf der Grundlage nachhaltiger organischer Landwirtschaft. Als der amerikanische Agrarwissenschaftlicher Franklin Hiram King das Buch “4000 Jahre Landbau in China, Korea und Japan”(“Farmers of Forty Centuries, or Permanent Agriculture in China, Korea, and Japan“) im Jahr 1911 geschrieben hatte, argumentierte er, dass Ostasien ein Modell für eine wahrhaftig nachhaltige Landwirtschaft bieten würde, welches die USA so bald wie möglich ebenso einführen sollten. Tragischerweise hat stattdessen China den tödlichen amerikanischen Mix aus Kunstdünger und Pestiziden importiert, der nichts Nachhaltiges bietet. Die chinesische Weisheit der Landwirtschaft ist den jungen Menschen genau in dem Moment verloren gegangen, als sie am dringendsten benötigt wird.

So haben auch die chinesischen Traditionen der Bescheidenheit und Genügsamkeit, des Respekts vor dem Alter und der persönlichen Demut eine enorme Zugkraft als Alternative zu einer rücksichtslosen Konsumgesellschaft. Aber wenn Sie nach China reisen um nach diesen Werten Ausschau zu halten, dann werden Sie enttäuscht werden.

Die westlichen Träume von China

Viele Menschen aus dem westlichen Kulturkreis suchen in China eine Alternative zu der tiefen Maläse, welche die westliche Kultur infiziert hat. Es war ein ähnlicher Impuls, der mich dazu inspiriert hatte chinesische Literatur zu studieren: eine Desillusionierung von Materialismus und Militarismus, welche langsam die Institutionen der Vereinigten Staaten zerfraßen. Konfuzianismus, Buddhismus und Taoismus bieten Amerikanern eine Alternative zu einer Gesellschaft, in der alle Handlungen des Individuums in Geldwert umgerechnet werden.

Ich war als Student von China wegen des von ihm ausgegehden Appels an die Genügsamkeit und seines Bekenntnisses zur Einheit von Lernen und ethischem Handeln inspiriert. Viele der großen konfuzianischen Gelehrten machten es sich zur Gewohnheit nur das zu essen, was sie brauchten und von Luxus Abstand zu nehmen. Selbst gut situierte Chinesen vermieden Verschwendung und Prahlerei und betrachteten Literatur und Philosophie als höchste Güter. China verkörperte eine der Beschaulichkeit verschriebene Zivilisation, in der Dörfer eine umsichtige Eintracht mit der Natur behielten, die für Jahrhunderte deren Überleben sicherstellte.

Aber wenn ich heute China besuche, dann finde ich dieselbe blinde Verehrung falscher Götter, die ich in den Vereinigten Staaten hinter mir lassen wollte. Ich bin bestürzt ob der sinnlosen Verschwendung von Nahrungsmitteln in chinesischen Restaurants und über die impulsive, überflüssige Anschaffung unnötiger Produkte und Accessoires durch einen Teil der Chinesen. Ein solches Handeln wäre von den Chinesen vor 100 Jahren als schandhaft betrachtet worden – und solcher Konsum ist auch heute schandhaft im Zeitalter des radikalen Klimawandels. Heute werfen die meisten jungen Chinesen Plastikflaschen und Plastiktüten gedankenlos weg, genauso wie ihre gleichalten Zeitgenossen in Amerika.

Äußerst tragisch ist es, dass chinesische Bürokraten wirtschaftlichen Erfolg ebenso an denselben schiefen ökonomischen Theorien und Fetischismen messen, die dem Westen großen Schaden zugefügt haben. Chinesen werden in schicke Kaufhäuser gelockt, die voll von Einwegartikeln sind, und sie halten glitzernde Kampfflugzeuge für Symbole nationaler Größe. Ich bin empfindsam gegenüber dieser Veränderung, weil ich als Amerikaner gesehen habe, wie mein eigenes Land vom Weg abgekommen ist und wie dessen Bewohner, auf der Suche nach Schutz vor der rauer werdenden Realität, in die Fantasiewelt des Konsums flüchten.

Amerika hat elendig dabei versagt der Welt ein ethisches Modell zu bieten. Mein Land hat sich während der vergangenen 20 Jahre nicht nur an einer Serie von illegalen Kriegen beteiligt; die Amerikaner sind derart narzisstisch geworden, dass sie keine Bemühungen unternehmen um für die Welt höhere Standards in Fragen der Umweltpolitik aufzustellen, oder im Interesse derer, die nicht über die Vorzüge von Reichtum verfügen.

Währenddessen gibt China weltweit den Schritt für Entwicklungsländer vor. Die Nationen Afrikas und Asiens wenden sich an China als Modell erfolgreicher Entwicklung um diesem zu folgen und erhalten dabei zunehmend Hilfsgelder aus Peking. China hat eine Wirkung auf die Welt wie kein anderes Land, da jeder fünfte Erdbewohnern in China lebt. Chinas Kultur beeinflusst direkt Nationen in Afrika und Südamerika, und viele der Entwicklungsnationen balgen sich darum Chinesisch zu lernen.

China hat die enorme Weisheit und Tiefe seiner Kultur, eine lange Tradition nachhaltiger Landwirtschaft und des intellektuellen Strebens nach Bescheidenheit, welche eine Alternative für Entwicklung bieten können. China bietet aber derzeit keine fundamentale Alternative zum Konsum-basierten U.S.-Modell.

Der Chinesische Traum

Viele Chinesen wünschen sich ein starkes China, das für seine eigenen Interessen einstehen kann und für immer die Erniedrigungen hinter sich lassen kann, an denen es nach den Opium-Kriegen (1839-1842; 1856-1860) litt. Der Wunsch aufseiten der Chinesen nach dem Aufbau nationaler Stärke um fremden Mächten standzuhalten ist verständlich. Unglücklicherweise imitiert die Behauptung nationaler Macht oft die Gestalt der Verlockungen jener nationalen Macht, wie sie von den Vereingten Staaten vielgeliebt ist, wie zum Beispiel das Herstellen von Flugzeugträgern und Panzern statt eines Bekenntnisses zur Begegnung realer Sicherheitsbedrohungen wie dem Klimawandel.

Die Debatte in China war diejenige, ob China sich weiterhin den Neoliberalismus zu eigen machen sollte, oder ob es seine Maoistischen Traditionen wiederbeleben sollte. Die Rückkehr zu traditionellen Betrachtungsweisen der Ökonomie, der Ökologie und des Gemeinwesens wurden als dritter Weg nicht berücksichtigt. Präsident Xi Jinping stellte den “Chinesischen Traum” in den Mittelpunkt der Debatte darüber, wie weit die chinesische Globalisierung getragen werden sollte.

Xi benutzte den Begriff “Chinesischer Traum” (Zhongguomeng) im November 2012 im Anschluss an den 18. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas und prognostizierte eine “Erneuerung Chinas”, welche die Form eines “Traums der gesamten Nation, sowie jedes Einzelnen” annehmen würde. Obwohl dieser Traum als eine spirituelle Herausforderung der Bürger präsentiert wurde, die zusammen an einem besseren Land arbeiten, und an einer besseren Welt, so bedeutet für viele Chinesen der “Chinesische Traum” schlicht ein reiches China, randvoll mit großen Autos, langen Schnellstraßen, emporschnellenden Wolkenkratzern und mit von Konsumgütern überfüllten Geschäften. Der Traum von dem Tag, an dem sie in teuren Restaurants essen gehen können und so viel bestellen können, dass sie gut und gern einen Pulk davon zurücklassen können. Viele Chinesen betrachten das westliche “gute Leben” als Fortschritt, selbst wenn wir alle die Zeichen von dessen drohendem Untergang wahrnehmen.

Wir sollten das traditionelle China nicht glorifizieren, beispielsweise in Anbetracht der Rigidität konfuzianischer Lehren in der späten imperialen Periode oder der ernsthaften Einschränkungen gegenüber den Handlungsmöglichkeiten von Frauen. Gleichzeitig sollten Chinesen ihre Vergangenheit nicht als etwas sehen, das überwunden werden muss, sondern als eine Inspiration für die Zukunft. Die chinesische Kultur nahm an, dass Schüler, von der Kindheit an, an das Lesen von Dichtkunst herangeführt werden sollten und Ethik und Philosophie studieren sollten, statt nur Betriebswirtschaftslehre und Vermarktung. Von Intellektuellen wurde erwartet, dass sie ihren Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft und gegenüber einer verantwortungsbewussten Regierungsführung einhalten würden. Und von Regierungsoffiziellen wurde erwartet, dass sie solche Intellektuelle waren, die zuvörderst die Geisteswissenschaften schätzen würden. Was wir brauchen ist etwas, das sich näher an dem befindet, was Ernst Friedrich Schumacher (1911-1977) in seinem Buch Die Rückkehr zum menschlichen Maß (Originalausgabe: Small is Beautiful. A Study of Economics as if People Mattered) als den “Mittelweg” zwischen “materialistischer Achtlosigkeit” und “traditioneller Unbeweglichkeit” bezeichnete.

China wuchs ökonomisch nicht dadurch, dass es die Völker der Welt und deren natürliche Rohstoffe ausgebeutet hätte, in der Art, wie es die Europäer und Amerikaner taten, und noch immer tun. Vielleicht können wir uns in der Zukunft eine Welt vorstellen, in der China, anstatt dem Club der raubgierigen Globalisten beizutreten, zu seinen ursprünglichen Wurzeln einer nachhaltigen Ökonomie zurückkehrt, welche die Geisteswissenschaften und die Weisheit vor allem anderen würdigt und dies als neuen “Chinesischen Traum” deutet, für alle Chinesen genauso wie für die Entwicklungsländer.

Die Chinesen müssen in ihren Traum das Blickfeld einer langfristigen ökonomischen und ökologischen Gerechtigkeit einfließen lassen – Werte, welche in vielerlei Hinsicht das Herz der konfuzianischen und taoistischen Tradition formen. China sollte aus seiner Tradition der Ökologie und der politischen Ethik schöpfen, als Grundlage für eine neue Weltsicht, die Alternativen zur Metrik von “ökonomischem Wachstum” und “Konsumenten-Indizes” bietet. China hat die philosophischen Grundlagen – die Ästhetik – die nötig ist um solche intellektuellen Institutionen aufzubauen. Chinesen in der Ming- und Qing-Dynastie waren vollständig dazu in der Lage, Jahrhunderte umspannende Bewässerungspläne zu entwerfen und umzusetzen.

Vielleicht wird das Wiederentdecken traditioneller chinesischer Konzepte der nachhaltigen Landwirtschaft als notwendiger Stimulus dienen um eine “Synthese zu schaffen, die Ökonomie und Umweltschutz auf eine Weise zusammenschweißen kann, die beide Wissenszweige grundsätzlich reorientiert”, wie John Feffer es in seinem Artikel “The New Marx” schreibt. Die Frage ist, ob die Chinesen bereit dafür sind um den Schatz anzuerkennen, den sie bereits in ihren Händen halten.

Ob China darauf vorbereitet ist eine führende Rolle in der Welt zu spielen, ist irrelevant. China wurde bedingt durch die Umstände auf das Podium gestoßen, ob bereit oder nicht. Der tiefe Verfall der amerikanischen Kultur während der vergangenen drei Jahrzehnte, zusammen mit der auffälligen Unverantwortlichkeit der amerikanischen Intellektuellen, hat die Vereinigten Staaten in internationale und inländische Probleme verwickelt, die sie von einer solchen zentralen Rolle innerhalb der internationalen Gemeinschaft abhalten werden, egal, was die amerikanischen Medien sagen mögen.

China ist das einzige Land, das die finanzielle Stärke hat, die wissenschaftliche Sachkenntnis, die Größenordnung und die Tiefe seiner Institutionen und seiner Kultur um eine solche globale Rolle zu spielen. Umsomehr, als dass China in Asien ein Hegemon war, aber nicht in einem kolonialen Sinne wie England, Frankreich, Spanien oder Deutschland es waren. Es gibt eine Chance, dass China weltweit für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen wird. Aber dieser letzte Punkt ist weit davon entfernt als sicher zu gelten. Die entscheidende Frage ist, ob China die Kreativität und die moralische Autorität hat um von dem Reiz von Reichtum und Macht Abstand zu nehmen und kritisch beurteilt, inwiefern seine traditionelle Kultur eine gangbare Alternative sowohl für China als auch für die Welt ermöglichen kann.

Die Mehrheit der Chinesen hat den Umstand noch nicht begriffen, dass es jetzt Chinas Verantwortung ist, und dies nicht nur als günstige Gelegenheit, um für den Rechtsgrundsatz einzutreten und für eine bessere, nachhaltige Zukunft weltweit. Einige Länder entscheiden sich dazu Alternativen anzubieten, und einigen Länder ist diese Verantwortung auferlegt. China findet sich dabei in der letzteren Position, und die Welt erwartet Chinas Entscheidung.

Die Zukunft der “Neuen Seidenstraße” (“One Belt, One Road”, „Yidai, Yilu”)

Genau in dem Moment, in dem China dazu aufgerufen ist eine zentrale Rolle in der Weltwirtschaft einzunehmen, hat das Land sein Projekt der „Neuen Seidenstraße” ins Leben gerufen. China hat Nationen aus der ganzen Welt dazu eingeladen an diesem Projekt teilzuhaben um Integration und Zusammenarbeit zwischen den Nationen Eurasiens zu fördern.

Der Fokus der „Neuen Seidenstraße” liegt bisher auf den Bereichen der Infrastruktur und der Ressourcenentwicklung. Diese Projekte können bisweilen brauchbar sein um eine nachhaltige Zukunft zu entwickeln, doch in vielen Fällen sind sie das nicht. Der Schwerpunkt wurde auf die Erhöhung des Öl-, Gas- und anderen Rohstoffflusses nach China gelegt, um weiteres Wachstum und Investitionen zu fördern. Die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB), der Neue Seidenstraßen Fonds (NSRF), die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), der Seidenstraßen Goldfonds und der Bergbau-Industrie-Entwicklungsfonds haben wenig mit der Erhaltung der Umwelt zu tun. Dieser Impetus zum Konsum als nationale Stärke verspricht nichts Gutes, da der chinesische Verbrauch von Nahrungsmitteln und Treibstoffen einen immensen Einfluss auf die ganze Welt hat, wie es Lester Brown in seinem Buch „Who will Feed China?” aufgezeigt hat. Dennoch, das Projekt befindet sich noch am seinem Anfang und China könnte dieses Projekt dazu nutzen um neue Institutionen, neue ordnungspolitische Wege und neue Umgangsformen zu begründen, welche die Welt in eine richtigere Richtung geleiten.

Die „Neue Seidenstraße” ist aus zwei Gründen eine beispiellose Gelegenheit. Sie ist eine Gelegenheit um eine neue internationale Gemeinschaft zu begründen, welche unmittelbar den Vorschriften der Charta der Vereinten Nationen folgt, einer Tradition, die in Europa und in den Vereinigten Staaten in Vergessenheit geraten ist. Aber sie bietet uns auch die Möglichkeit, Institutionen für globale Regierungsorganisation zu schaffen, die einer dicht integrierten Welt angemessen sind und nicht wie die Weltbank dominiert sind von privaten Aktienfonds (private equity funds) und multinationalen Konzernen.

Das Projekt der “Neuen Seidenstraße” benötigt weltweite Zusammenarbeit und kann nicht von China diktiert werden. Dieser Umstand bietet auch die seltene Möglichkeit neue Instutionen des Konsenses zu gründen, die nicht von Supermächten dominiert werden. Aber dieses Potenzial kann nur umgesetzt werden, wenn andere Nationen dieses Projekt als Plan für die Menschheit ernst nehmen, und nicht bloß als Möglichkeit um Geld zu verdienen.

China sollte auch tiefer über die gemeinsame Bezeichnung für das Projekt der “Neuen Seidenstraße” nachdenken. Der Begriff “Seidenstraße” geht zurück auf die Zeit des Überlandhandels zwischen China und dem übrigen Eurasien während der Tang-Dynastie, über Handelszentren wie Samarkand und Andijon und über den Seeweg, der China und Indien, Persien und Afrika verbindet. Aber das Wesen der Seidenstraße bestand nicht nur aus Geld und Handel. Die Seidenstraße verweist auch auf den tiefen kulturellen Austausch zwischen China, Zentralasien, Indien und Persien, der in der Zeit der Tang-Dynastie das Erblühen der buddhistischen Philosophie mit sich brachte, die exquisiten Wandmalereien der Dunhuang-Höhlen, das zierliche Porzellan und die Skulptur von Changan, und die lyrische Poesie von Li Bai und Du Fu, welche die Weichen für die gesamte folgende chinesische Literaturgeschichte stellte.

Vermag diese neue Seidenstraße den ausgetretenen Pfad ökonomischer Entwicklung westlicher Manier zu meiden und ihren Blick auf das Streben nach den höchsten Stufen kultureller Ausdrucksform zu richten? Oder könnte sie mehr Gewicht auf ökologische Landwirtschaft legen, anstelle des Baus dutzender neuer Flughäfen? Könnten gemeinsame Projekte zur Verbesserung der Gewinnung nachhaltiger Energie, den Abbau von Erdöl und Metallen ablösen?

Momentan gibt es wenige Indikatoren für eine solche Veränderung. Aber China hat solche radikalen Transformationen in der Vergangenheit dargeboten. China trägt die Lösung in seiner Vergangenheit, obwohl sich viele Chinesen dessen nicht bewusst sind. Vielleicht unterbreitet Chinas Vergangenheit die letzte Gelegenheit für unsere gemarterte Welt.

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